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Raum und Zeit
Vom R4 zum R5 und darüber hinaus

Eine Reise in die 4 . Dimension

 

Wer unversehens in den R4 gerät, erlebt eine ungeahnte Reichhaltigkeit an geometrischen Körpern – und die eigene Beschränktheit.

 

Leben in vier Dimensionen

Schon richtig. Mit R bezeichnet man die reelle Zahlengerade, R2 ist so etwas wie das Produkt der Menge R mit sich selbst, das heißt die Menge aller Paare reeller Zahlen oder auch das, was man normalerweise die Ebene nennt.

Der uns umgebende Raum heißt entsprechend R3 , und mehr gibt es nicht.

Das Leben in der Ebene muss ausgesprochen öde sein. Die Augen eines R2 -Menschen sehen nicht ein zweidimensionales Bild, sondern nur eine Linie. Wer mit dem Blick nach Osten aus einem zweidimensionalen Ei geschlüpft ist, muss eine Kopfstand machen, um westwärts zu schauen (Norden und Süden gibt es sowieso nicht). Der Auto A.K. Dewdney hat die Bewohner seines „Planuniversums“ deshalb vorsorglich mit einem Ost- und einem Westauge ausgestattet. Knoten sind undenkbar, ebenso viele Dinge, die das Leben im R3 erfreulich machen. Ob es so etwas wie Elektrizität gibt, ist unklar; unsereins kann sich ebenfalls die Maxwell´schen Gleichungen in weniger als drei Dimensionen nicht vorstellen.

Was geschieht mit einem R2 - Menschen, wenn ein gewöhnlicher R3 -Mensch ihn aus seiner Ebene heraushebt und zusammenfaltet? Nichts Schlimmes. Hinterher kann man ihn wieder glattlegen, und da er – für unsere Begriffe – unendlich dünn ist, bleibt noch nicht einmal eine Knickspur zurück.

Aber in seiner Welt gibt es Drehungen nur um einen Punkt. Rotationen um eine ganze Achse sind für ihn unvorstellbar.

So macht man einem R2 -Menschen ein Dodekaeder begreiflich:

Man setzt ein Drahtmodell auf die Ebene und hängt eine punktförmige Lichtquelle direkt über seine Deckfläche (Mitte). Der Schatten des Drahtmodells in der Ebene ist das Schlegeldiagramm (rechts): Es besteht aus teilweise verzerrten Fünfecken, aber gewisse Eigenschaften, zum Beispiel, dass sich in jeder Ecke drei Fünfecke treffen, bleiben erhalten.

 

Dreidimensionale Schatten

Vierdimensionale Wesen R4 – Damen sprechen mit mir als einem dreidimensionalen Wesen R3 . Ein fiktiver Disput mit einem vierdimensionalen Wesen.

Wie kann man meinem Vorstellungsvermögen von der 4. räumlichen Dimension helfen? Eine der R4 -Damen meinte: „Wir gehen einfach eine Dimension herunter. Projektion! Gib mir doch mal eine Schreibblock.“

Vor meinen Augen tauchte aus dem Nichts ein massiver Klotz aus Papier auf, wabbelte ein wenig und nahm dann wieder Quaderform an.

„Ach nein, gib mir lieber einen Overheadblock, sonst sieht er nichts im Innern.“

Der Papierblock verschwand und wurde durch einen Klotz ersetzt. In dessen Mitte erschien die Spitze eines Filzstifts und zeichnete eine vertraute Figur- räumlich.

„Ihr Mathematiker steht doch so auf die platonischen Körper. Das hier ist ein Dodekaeder; es besteht aus zwölf regelmäßigen Fünfecken, die jeweils zu dritt an eine Ecke grenzen.“

Das Gebilde war mir geläufig.

„Jetzt überleg dir, wie du so ein Ding aus Papier machst.“

Da kannte ich mich aus. „Ich zeichne ein regelmäßiges Fünfeck auf Papier und an jede seiner Seiten ein gleichartiges Fünfeck. Zwischen den äußeren Fünfecken bleiben kleine keilförmige Lücken, die schneide ich heraus und knicke das ganze Gebilde entlang der Grenzen zwischen den Fünfecken, sodass die äußeren Fünfecke sich treffen. Das gibt ein halbes Dodekaeder, und die andere Hälfte geht genauso.“

„Nicht schlecht, wenn man bedenkt, wie beschränkt er ist, kam ein Kommentar von dritter Seite. „Benimm dich“, versetzte meine Freundin, „er kann doch nichts dafür.“ Und zu mir: „Aber eure platonischen Körper sind nur ein müder Abklatsch von unseren. Pass auf.“

Auf dem Boden vor mit erschien ein massives Dodekaeder.“Das ist das mittlere Dodekaeder.“ Klack, saß auf einer seiner Seitenflächen ein gleichartiger Körper und – klack – auf der Nachbarfläche ein dritter. „Eigentlich müsste ich jetzt auf jede Fläche des mittleren Dodekaeders ein weiteres aufsetzen; aber die beiden reichen für den Anfang. Du siehst die keilförmige Lücke zwischen den äußeren Körpern?“

„Sicher.“ „Jetzt passiert etwas ganz Einfaches. Ich knicke die äußeren Dodekaeder gegen das mittlere, und zwar entlang der gemeinsamen Grenzfläche, bis sich die beiden berühren. Und schon ist die Lücke zu.“

Es knirschte ein bisschen – und dann warten die beiden äußeren Dodekaeder meinem Blick entschwunden.

„Er sieht wieder nichts“, kommentierte eine Kollegin aus dem R4. . „Dazu ist er doch zu dünn.“ „Schon gut“, erwiderte meine erste Gesprächspartnerin. „Deswegen mache ich doch das Licht an. Schau dir den Overheadklotz an.“

Gleichmäßiges Licht durchflutete den Klotz; mit einem kurzen Wischen war die Zeichnung aus seinem Innern verschwunden, und es erschien das Abbild der drei Dodekaeder, ohne irgendeine Lücke zwischen ihnen. Allerdings sahen zwei von ihnen ein bisschen verzerrt aus.

„Ich habe jetzt „oberhalb“ bzw. ?halb der drei Körper eine punktförmige Lichtquelle angeknipst. Wenn dir einige von ihnen verzerrt vorkommen, liegt das an der Perspektive.“

Dann hielt sie sich mit weiteren Erläuterungen nicht auf. Es machte klack, klack, klack, .... Im Original sah ich nichts davon, aber in der Projektion in den Overheadklotz fügte sich ein Dodekaeder nach dem anderen zu den bereits vorhandenen, lückenlos, versteht sich. Die einzelnen Körper wurden immer größer und immer verzerrter: Hinter einer riesengroßen Fünfecksfläche verschwanden die anderen geradezu. Nachdem es eine geraume Zeit geklackt hatte, kam das letzte Dodekaeder hinzu und verdeckte alle anderen. Es war sehr groß, aber völlig unverzerrt.

„Das ist das 120-Zell, das Prachtstück unter unseren platonischen Körpern. Es besteht aus 120 Dodekaedern. An jeder Ecke grenzen vier von ihnen, an jeder Kante drei, und alle sind genau gleich, obgleich es für dich nicht so aussieht. Innen ist es übrigens hohl.“

Man drehte das Prachtstück um verschiedene Ebenen; im R4 finden Drehungen nicht um Achsen, sondern stets um Ebenen statt. In meiner beschränkten Weltsicht konnte ich die vielen Symmetrien, über die das 120-Zell verfügt, nur mühsam erahnen. Zunächst hatte die Lampe genau ?halb des Körpermittelpunkts des ?sten Dodekaeders gehangen. So gesehen wirkte auch die Projektion sehr symmetrisch. Aber man konnte das ganze Ding auch so drehen, dass eine Fläche, eine Kante oder eine Ecke der Lichtquelle am nächsten waren, genauer: dass ein Flächenmittelpunkt, ein Kantenmittelpunkt bzw. ein Eckpunkt auf die ?wärts gerichtete Koordinatenachse, die senkrecht auf meinem R3 stand, zu liegen kam. Je nach Orientierung kamen die verschiedensten Symmetrien des Körpers zum Vorschein.

Nicht umsonst hatten meine Freundinnen aus dem R4 mir als ersten ihrer platonischen Körper das 120-Zell vorgeführt; jenes Prachtstück aus 120 (dreidimensionalen) Dodekaedern, die zu dritt um jede der 1200 Kanten und zu viert um jede der 600 Ecken liegen.

Wie bei den Geometern üblich, legen sie Wert auf Symmetrie. Das 120-Zell ist nicht nur aus lauter gleichen Bestandteilen aufgebaut, die ihrerseits aus lauter gleichen Teilen bestehen, es sind auch eckentransitiv, das heißt, alle Ecken samt ihren Umgebungen sind gleich in einem verschärften Sinne: Zu zwei beliebigen Ecken gibt es eine Drehung, welche die eine Ecke in die andere und den ganzen Körper in sich selbst überführt. Damit verfügt das 120-Zell über dasselbe Ausmaß an Symmetrie wie die bekannten fünf platonischen Körper in drei Dimensionen: Tetraeder, Oktaeder, Würfel, Ikoaeder und Dodekaeder.

Der symmetrischste Körper überhaupt ist in drei wie in vier Dimensionen die Kugel, denn sie wird von jeder Drehung um ihren Mittelpunkt in sich selbst überführt.

 

In der höheren Welt R4, so sagen meine neuen Bekannten, gibt es genau sechs verschiedene platonische Körper – einen mehr als in drei Dimensionen.

Außer dem 120-Zell handelt es sich um

- das 5-Zell aus fünf Tetraedern,

- das 8-Zell aus acht Würfeln, auch „Tesserakt“ oder „Hyperwürfel“ genannt, weil er in seiner Welt wie unser Würfel die Rolle eines Grundbausteins spielt; insbesondere kann man den R4 lückenlos mit Hyperwürfeln ausfüllen.

- das 16-Zell aus sechszehn Oktaedern

- das 24-Zell aus 24 Oktaedern (siehe Bild)

- das 600-Zell aus stolzen 600 Tetraedern; an jeder der 720 Kanten liegen fünf Tetraeder und an jeder der 120 Ecken zwanzig Stück.

 

Platonische Körper in zwei Dimensionen sind nicht anders als regelmäßige Vielecke, und davon gibt es unendlich viele, eins für jede Eckenzahl.

 

Im n-dimensionalen Raum sind die Bausteine für einen platonischen Körper ihrerseits platonische Körper im (n-1)-dimensionalen Raum.

Da aber nicht alle von diesen als Bausteine taugen – zum Beispiel sind das Ikosaeder im Welt R3  und alle Vielecke ab dem Sechseck im R2  zu dick und damit unbrauchbar – müsste die Anzahl der Platonischen mit zunehmender Dimension eigentlich abnehmen. Nur die Vielseitigkeit des Tetraeders kehrt für den R4  diesen Trend um.

Außerdem musste ich an dieser Stelle die Ehre der beschränkten R3  -Wesen retten. Die sechs besonders regelmäßigen Körper im R4  hatten schon Mathematiker im 19. Jahrhundert gefunden. Der Ruhm gebührt Ludwig Schläfli und Viktor Schlegel.

 

Die Krücke der Linearen Algebra

Da horchten die höheren Wesen auf einmal auf. Wie hatten die Dreidimensionalen die unvermeidliche Beschränkung ihres Vorstellungsvermögens überwinden können?

Gute Frage. Wie erlangt man Erkenntnisse von höherdimensionalen Welten, wenn man selbst in einer niederdimensionalen Welt lebt?

Die erste Antwort liefert die abstrakte Koordinatengeometrie.

Einfach vier statt drei zahlen für die Angabe eines Punktes verwenden und mit diesen Koordinaten zu rechnen ist etwas ungewohnt, aber nicht besonders schwierig.

Wie im gewohnten Raum gibt es Geraden und Ebenen, und sie werden durch Gleichungen beschrieben, die den herkömmlichen geraden- und Ebenengleichungen zum Verwechseln ähnlich sind. Auch die Formeln für die Entfernung zweier Punkte und den Winkel zweier Geraden sehen ziemlich vertraut aus.

Dass es dreidimensionale Unterräume gibt, die nicht alle Punkte des Raums enthalten, ist gewöhnungsbedürftig. Aber der Formalismus der Linearen Algebra findet mühelos die Gerade, die auf einem ganzen Unterraum senkrecht steht und durch den vorgegebenen Punkt geht, oder die Ebene, in der sich zwei Unterräume schneiden, wenn sie nicht gerade parallel sind.

 Man spiegelt im R4  nicht an einer Ebene, sondern an einem ganzen Raum. Drehungen finden nicht, wie im R2  (der Ebene), um einen Punkt oder, wie im R3  , um eine Achse statt, sondern um eine ganze Ebene. Während im R3  eine Ebene die Welt in zwei strikt getrennte Hälften zerlegt und es gänzlich unmöglich ist, von der einen Hälfte in die andere zu gelangen, ohne die Ebene zu kreuzen, stört eine Ebene im R4  den Weg des Wanderers nicht mehr als ein – unendlich langer Laternenpfahl. Man darf halt nicht dagegen laufen, das ist alles.

 Etwas stoßsicher verpacken im R4  ist etwas schwierig. Während bei uns ein Karton mit sechs flächenhaften Stücken Wellpappe auskommt (vier Wände, Boden und Deckel), müssen es im Vierdimensionalen immer gleich acht sein, und zwar nicht bloß dünne Pappdeckel, sondern richtige (dreidimensionale) Quader. Entsprechend aufwändig sind die Häuser im R4  -Menschen.

Dafür sind die Verkehrsverbindungen im R4  hervorragend. Straßen oder Bahnlinien kommen einander nicht mehr in die Quere als bei uns die Laternenpfähle. Mit dem doppelten Zeitaufwand erreiche ich nicht nur viermal so viele Ziele wie bei uns, sondern achtmal, wobei in beiden Fällen unterstellt wird, dass eine Dimension wegen der Schwerkraft nicht zur Verfügung steht. Es gibt wirklich viel Platz im R4  , und das empfinden nicht nur dreidimensionale „Flachmänner“ wie ich so, sondern auch die Bewohner selbst. 

Nachdem meine Freundinnen mich schon aus meinem R4 ?wärts herausgehoben hatten, hätten sie mich ungeachtet aller Zäune wieder irgendwo in meinem vertrautem Raum absetzen können, gerne auch spiegelverkehrt, denn was man in drei Dimensionen nicht wirklich tun kann – einen Menschen durch sein exaktes Spiegelbild zu ersetzen -, das ist im R4  eine einfache Halbdrehung um eine Ebene. Ich würde allerdings eine solche Umsetzung nicht lange überleben, denn alle organischen Moleküle in mir hätten dann den falschen Drehsinn und käme mit dieser Nahrung und anderen Stoffen nicht mehr zurecht.

Schöner als die abstrakte Koordinatendarstellung ist es, dem Vorstellungsvermögen direkt aufzuhelfen.

 

Erleuchtung von ? (das Übergeordnete) :   Projektion

 

Der Mathematiker Viktor Schlegel kannte und verwendete die Zentralprojektion, deswegen heißen diese Projektionsbilder heute Schlegel-Diagramme.

Statt einer punktförmigen Lichtquelle knapp ?halb des beleuchteten Körpers kann man auch paralleles Licht verwenden, das von R3  herab (genauer ?wärts ) scheint. Wieder hilft zum Verstehen das Analogon eine Dimension tiefer.

Man stelle einen gewöhnlichen Würfel so auf eine Ecke, dass die gegenüberliegende Ecke genau ?halb dieser Ecke liegt, und von ? mit parallelem Licht bescheint, werden alle acht (gewöhnlichen) Würfel zu so genannten Rhomboedern verzerrt. Vier von ihnen bilden zusammen einen Rhombendodekaeder, einen Körper, der von zwölf Rauten begrenzt ist. Die restlichen vier Würfeln bilden ebenfalls ein Rhombodokaeder, das das selbe Volumen einnimmt wie das erste und mit diesem nur an seiner Oberfläche Kontakt hat. An diesem Modell können wir ohne Weiteres bestätigen, dass sich in jeder Ecke vier Würfel treffen, ohne Lücken zwischen sich zu lassen – auch wenn wir uns das eigentlich nicht vorstellen können.

Nach demselben Prinzip veranschaulicht man sich auch die hohle Kugel im R4  , die so genannte 3-Sphäre. In der Parallelprojektion wird sie zu zwei gewöhnlichen Vollkugeln, die dasselbe Volumen einnehmen und die man sich als an ihrer gemeinsamen Oberfläche miteinander verklebt vorzustellen hat.

Die dritte Veranschaulichungsmethode wird bei uns wie bei den R4  -Menschen in Bauplänen praktiziert: Ein Flachmann legt in Gedanken einen ebenen Schnitt durch den abzubildenden Gegenstand und zeichnet auf ein Stück Papier nur das, was in dieser Ebene liegt. Ein R4 -Mensch legt stattdessen einen gedachten Raum durch den Gegenstand und dokumentiert das, was sich in diesem Raum befindet, in einem Klotz Papier; deswegen sprechen die R4 -Leute  von aufklotzen statt aufzeichnen.

Für uns R3 - Menschen ist ein dreidimensionaler Schnitt hilfreich. Wie man in dem 120-Zell die Dodekaeder so gegeneinander faltet, dass die Lücken zwischen ihnen verschwinden, geht einem Flachmann nicht in seinen Flachkopf. Aber ein geeignet gelegter Schnitt macht aus dem Winkel dieser Faltung einen Winkel in einem gewöhnlichen (dreidimensionalen) Raum.

So gewinnt man zum Beispiel ein Verständnis für die archimedischen Körpern in vier Dimensionen. Archimedische Körper sind etwas weniger regelmäßig als platonische. Zwar wird nach wie vor die Eckentransitivität verlangt; aber die Bauteile eine Dimension niedriger brauchen nicht mehr alle gleich und nur archimedisch statt platonisch zu sein.

In drei Dimensionen gibt es zwei unendliche Klassen von Körpern, die diese Bedingungen erfüllen:

- die Primen ( ein n-Eck als Boden, ein weiteres n-Eck als Deckel und lauter quadratische Wände zwischen Boden und Deckel);

- die Antiprismen (Boden und Deckel sind gegeneinander um eine halbe n-Eckseite verdreht und durch gleichseitige Dreiecke im Zickzack miteinander verbunden).

Darüber hinaus gibt es dreizehn spezielle archimedische Körper mit Namen wie Tetraederstumpf und Kuboktaeder.

Aus diesem reichhaltigen Sortiment können also die archimedischen Körper im R4 gebaut werden. Neben den schon genannten platonischen Körpern, die natürlich auch das Kriterium archimedisch erfüllen, gibt es 41 im engeren Sinne archimedische Polychora (ein Polychor ist die Verallgemeinerung eines Polyeders auf vier Dimensionen) sowie abermals zwei unendliche Klassen, die prismatischen und die biprismatischen Polychora (siehe Bild).

Ein biprismatisches (m,n)-Polychor oder kurz (m,n)-Biprismachor entsteht aus m aufeinander gestapelten n-seitigen Prismen. Dieser Turm wird im R4  so zurecht geknickt, dass Boden und Deckel zusammen fallen. Jede der n Seitenwände des gesamten Turms besteht aus m Quadraten, die zu einem Ring geschlossen sind. Das sind die Seitenwände eines m-seitigen Prismas, von dem n Exemplare das Polychor vervollständigen.

Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist das (4,4)-Biprismachor; das ist nämlich der vierdimensionale Hyperwürfel. Je größer m und n sind, desto mehr nährt sich das Biprismchor der (Hyper-)Kugelform.

 Eine Bastelanweisung mit Karton im R4  :

Man füge mehrere potenzielle Bausteine aus dem R3  so zusammen, dass sie alle eine Ecke gemeinsam haben und mit gleichen Flächen aneinander grenzen. Dabei darf zwischen Paaren gleicher Flächen eine keilförmige Lücke offen bleiben, wie wir sie bei den Dokaedern des 120-Zells gesehen haben. Jetzt faltet man in Gedanken die Bausteine in R4  so gegeneinander, dass die Lücken sich schließen -  was man sich nicht mehr vorstellen kann. Aber indem man durch die Anordnung einen geeigneten Schnittraum legt, kann man den Faltwinkel bestimmen.

 

Jenseits im R4 

Man fällt nun das Lot auf jeden der Bausteine in dessen Mittelpunkt. Das geht, denn wir sind ja in vier Dimensionen! Damit es ein archimedisches Polychor wird, müssen alle diese Lote sich in einem Punkt treffen, der dann der Mittelpunkt des Polychor ist.

Dann erzählte ich meinen Freundinnen von R5  , dass man den fünfdimensionalen Raum ebenso mit Koordinaten beschreiben könne wie den ihren – man braucht eben fünf statt vier reelle Zahlen zur Beschreibung eines einzigen Punkts. Das wollte ihnen absolut nicht einleuchten, ebenso wenig, dass es im R5  nur noch drei platonische Körper gibt. Das ist doch völlig offensichtlich, das ihr Raum nicht fünf, sondern genau vier Dimensionen habe. Und wie man sich, bitte schön, vorstellen solle, dass es einen Vektor geben könne, der auf allen vier Koordinatenrichtungen senkrecht steht....

Ich kam nicht mehr dazu, meinen Freundinnen vom R4  von dem fünfdimensionalen Hyperwürfel zu erzählen, und welche interessanten Bilder sich ergeben, wenn man durch eine Raumfüllung des R5  mit Hyperwürfeln auf geschickte Weise Ebenen legt. Sie gaben mir zunehmend deutlicher zu verstehen, dass sie mich für einen aufgeblasenen Flachmann hielten.

 Wenn diese höheren Wesen wüssten, dass es über den R5  hinaus nicht nur einen R9  und eine R19  gibt, sondern einen Rn  für jede natürliche Zahl n.

 

 

Autor dieser Geschichte :

 

Christoph Pöppe, promovierter Mathematiker und Redakteur bei Spektrum der Wissenschaft.

Weblinks zu diesem Thema: www.spektrum.de   unter Inhaltsverzeichnis

 

 

 

 

 

 

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